Tischmanieren für Kinder im Grundschulalter? Klar, sagen die einen. Unwichtig, sagen die anderen. Lesen Sie hier von Erna und Georg, zwei Kinder auf dem Weg in die Grundschule und meinen Erfahrungen als Mutter und Knigge – Trainerin beim gemeinsamen Essen am Tisch.
Der erste Schultag – Eltern sind mächtig stolz auf Ihre Schützlinge, dürfen es auch sein. Allerdings mischt sich auch Unbehagen darunter: Kommt mein Kind zu Recht im „harten“ Schulleben, an wen oder was wird es sich orientieren? Weiß es, was sich gehört – und was nicht? Vieles sollen und werden Kinder im Zusammensein mit ihren Mitschülern, Lehrern und Erziehern herausfinden. Es hilft Kindern allerdings, abseits des Ausprobierens Input zu bekommen, warum sie mit Ihrem Verhalten anecken oder eben nicht. Um was geht es?
Bis jetzt hießt es von den Erwachsenen immer „wie süß, nicht schlimm, ist ja noch so klein“, wenn Erna und Georg ein großes Bäuerchen am Tisch abließen oder sie nach Herzenslust geschmatzt haben. Im Kleinkindalter steht ohne Frage das Entdecken des Essens mit allen Sinnen im Vordergrund.
Schulreif werden
Im Vorschulalter wird dann der Schwerpunkt auf die Kompetenzen gelegt, die von der Schule zum Schuleintritt gefordert werden. Erna und Georg lernen schon jetzt Schwünge für die schöne Schrift, erstes Rechnen für den Mathematikunterricht, schönes Ausmalen, Basteln mit Schere und Kleber und viele weitere Fertigkeiten, die von der Grundschule zum Schuleintritt gefordert werden.
Und nicht nur die – eine ganze Liste von Fähigkeiten und Fertigkeiten gibt es von der Grundschule an die Eltern, die ihre Kinder bis zum Schuleintritt zu können haben. Dazu zählen neben den oben schon erwähnten zum Beispiel „Es sollte den Umgang mit dem Taschentuch, mit Seife und Handtuch beherrschen“, „Es sollte selbständig auf die Toilette gehen können.“, „Es sollte fähig sein, mit anderen auszukommen.“, „Es sollte Gesprächsregeln einhalten können.“ u.v.m. (Auszug aus den Informationen einer Grundschule zur Einschulung).
Doch eines, fällt mir auf, wird nicht gefordert: Das Verhalten beim Essen in Gemeinschaft am Tisch, der Umgang mit Besteck. Ist nicht auch das wichtig, in der Schule und später, wenn gemeinsam in der Mensa gegessen wird?
Allein beim Mittagessen
Denn gerade jetzt wäre es wichtig, wenn die Kinder auch „den Umgang am Tisch sicher beherrschen“, wo so viel Neues auf sie einströmt. Auf einmal hören Erna und Georg nicht mehr „ist nicht schlimm“, sondern „lass‘ das, das macht man nicht“. Beim gemeinsamen Essen in der Mittagsbetreuung oder im Hort der Schule bzw. in der Mensa sind sie auf sich gestellt. Wissen sie noch nicht ansatzweise, wie sie in Gemeinschaft essen und mit dem Besteck richtig umgehen, dann werden sie unsicher und es kommt zu „auffälligem Verhalten“.
Das bestätigen auch meine Erfahrungen. Bei einem Praktikum in einer Grundschule betreute ich Kinder der ersten Klasse in der Mittagszeit, also auch beim Mittagessen. Da gab es viel Unsicherheiten und die tollsten „Hilfsmittel“ wurden erfunden, z.B. Schnitzel am Spieß, also auf der Gabel, und rundherum abessen, mangels Kenntnis der Messerbenutzung. Oder am besten gleich wie ein Brot in die Finger, wenn es nicht zu heiß ist.
Mit den Händen essen erlaubt
Um es jedoch gleich vorwegzunehmen: Selbstverständlich darf auch mit den Fingern gegessen werden – doch nur das Richtige. Wie zum Beispiel der Burger im Fastfood Restaurant oder die Pizza in einer reinen Pizzeria: Einfach handliche Stücke schneiden und am Rand anfassen. Sollte der Teig der Pizza in der Mitte nach unten durchhängen, hilft die Gabel, ihn elegant in den Mund zu befördern.
Das Warum ist wichtig
Zurück zum gemeinsamen Mittagessen in der Schule. Auch wenn Erna und Georg von zu Hause wissen, wie es eigentlich geht – in Gemeinschaft mit Gleichalterigen, auf sich allein gestellt, ist es anders. Hier muss sich behauptet werden, dumme Sprüche müssen abgewehrt werden usw.
Da wäre es gut, wenn genau diese Gemeinschaft der Kinder zusammen lernt, welche Verhaltensweisen am Tisch in unserem Kulturkreis gelten. Denn gerade im Grundschulalter sind die Kinder äußerst aufnahmefähig, suchen nach dem „Warum“ und speichern viele Gewohnheiten für später ab.
Die Präventivforschung hat ergeben, dass jetzt, bevor die Pubertät beginnt, gelernte Fertigkeiten und Verhaltensweisen das zukünftige Leben prägen. Also die beste Zeit, die Gebräuche beim gemeinsamen Essen am Tisch unseres Kulturkreises zu vermitteln.
Auf die Wirkung achten
Leben wir unseren Kindern vor und geben Ihnen die Möglichkeit zu lernen, was später im gesellschaftlichen Leben beim gemeinsamen Essen am Tisch gefragt ist. Denken wir allerdings daran: Es geht nicht um die steife Etikette, die man sich schnell vorstellt, wenn das Wort „Tischmanieren“ fällt. Sondern es geht vielmehr darum, achtsam zu sein: Mit wem sitze ich wo am Tisch, wie wirkt mein Verhalten auf den anderen? Sich dem Anlass gerecht zu verhalten ist die Kunst, die wir unseren Kindern mitgeben sollten.
Was denken Sie? Ich freue mich, wenn Sie mir Ihre Meinung mitteilen.